Zinsanstieg mit Inkubationszeit – Immobilienfonds mit Kratzen im Hals
Offene Immobilienfonds galten lange Zeit als sichere Anlageoption in deutschen Privatdepots und erzielten stabile Renditen. Doch in jüngster Zeit sehen sich einige dieser Fonds mit erheblichen Abschreibungen konfrontiert. In einem aufschlussreichen Interview erläutern Thomas Keller und Georg Weimer die Gründe für diese Entwicklung. Sie erklären, warum die rapiden Zinsanhebung zur Inflationsbekämpfung erst jetzt zu Wertanpassungen bei Immobilienfonds führen. Zudem bieten sie Ratschläge für Anleger, wie sie sich in diesem veränderten Marktumfeld positionieren sollten.
Herr Weimer, welche Position nehmen Immobilienfonds in den deutschen Anlegerdepots ein?
Georg Weimer: Aus Erfahrung wissen wir, dass Immobilienfonds bei vielen Privatkunden aber auch bei Stiftungen eine zweistellige prozentuale Gewichtung in den Bankdepots einnehmen - viele sind also nennenswert investiert. Da liegt zum einen daran, dass wir hierzulande mit dem Thema Immobilien die Attribute "wertbeständig und sicher!" verbinden und zum anderen fehlte in der Niedrigzinsphase bzw. während des Nullzinses die Alternative am Markt. So nahmen offene Immobilienfonds in der Regel die Rolle des sogenannten „sicheren Hafens“ ein. Und rückblickend haben diese Fonds in den letzten 15 Jahren diese Kundenwünsche auch erfüllt. Sie waren in dem Zeitraum eine durchausunaufgeregte und schwankungsarme Vermögensanlage.
Warum kam es nun zu größeren Abschreibungen bei einigen namhaften Immobilienfonds?
Thomas Keller: Zur Bekämpfung der Inflation wurden die Zinsen in einem nie dagewesenen Tempo 2022 und 2023 angehoben. Die Verteuerung des Geldes wirkte sich auf die liquiden Anlagemärkte direkt im Jahr 2022 aus. Nun sickert der Zinsanstieg schrittweise zu den Immobilienfonds durch. Wir rechnen mit weiteren Kursabschlägen in den kommenden Monaten, da der Marktwert einer Immobilie stark vom Kapitalmarktzins abhängig ist, der in den Immobilienfonds zugrunde liegende Buchwert jedoch durch Gutachten anhand des sogenannten Liegenschaftszinses bestimmt wird. Analog zu klassischen Rentenpapieren führt ein Anstieg des Liegenschaftszinses zu einem Rückgang des Buchwertes der Immobilien. Während der Kapitalmarktzins 2022 und auch 2023 stark gestiegen ist, kommt der Liegenschaftszins erst jetzt in die "Gänge" - entsprechend fangen Immobilienfonds an, die Buchwerte der gehaltenen Immobilien anzupassen. Daraus resultiert dann auch die Anpassung des Fondspreises für Anleger, welche im Zuge der schwachen Performance mehr Gelder abziehen. Die Fonds müssen dann wiederum mehr ihrer Bestandsimmobilien liquidieren und Abschreibungen vornehmen - es droht ein Teufelskreislauf.
Wie haben Sie darauf reagiert und wie sind Sie aktuell aufgestellt?
Thomas Keller: In unserer Allokation haben Immobilienfonds, anders als bei vielen Banken, eine nur untergeordnete Rolle im einstelligen Prozentbereich gespielt. Wie von Herrn Weimer angesprochen, waren diese Fonds in den vergangenen Jahren gerade für konservative Investoren auch eine gute Anlage - die Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt haben sich jedoch im Laufe der Jahre 2022 und 2023 grundlegend verändert. Deshalb haben wir bereits 2023 nahezu alle uns anvertrauten Bestände in die Rückgabe gegeben. Mit Ablauf der einjährigen gesetzlichen Rückgabefrist kommt es dann dieses Jahr zum Verkauf an die Gesellschaft und das, im Vergleich zur Börse, noch zu einem hohen Kurs. Die freiwerdenden Mittel reinvestieren wir aktuell überwiegend in Unternehmensanleihen guter Bonität oder auch in kurzlaufende sichere deutsche Staatsanleihen.
Was empfehlen Sie Ihren Mandantinnen und Mandanten bzw. den interessierten Lesern?
Georg Weimer: Prüfen Sie Ihre gesamte Vermögensstruktur und stellen Sie sich selbst zunächst einige wichtige Fragen: Benötigen Sie neben Ihrem physischen Immobilienbestand noch die Anlageklasse „Immobilienfonds“? Wann benötigen Sie welche Gelder? Haben Sie einen langen Anlagehorizont, um die Erholung bei den Immobilienpreisen auszusitzen? Überprüfen Sie dann, wie liquide Ihre Investments sind und denken Sie dabei an die Rückgabefrist bei den Immobilienfonds. Wir geben zu bedenken, dass ein aktueller Bewertungsbruch, gerade bei Gewerbeimmobilien, durchaus struktureller Natur sein kann. Veränderte Lebensgewohnheiten stellen den städtischen Einzelhandel weiterhin vor große Herausforderungen und der durch Corona beschleunigte Trend zum Homeoffice belastet Büroimmobilien nachwievor. Kommen Sie auch gerne auf mich oder unsere Betreuerinnen und Betreuer zu. Wir überprüfen gerne Ihre individuelle Situation und geben Rat.
Sehr geehrter Herr Weimer, sehr geehrter Herr Keller - Vielen Dank für das Gespräch.
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